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II. Interdisziplinäre Trauma-Fachtagung – Wir Sind Viele (2014 in Mainz)

Tagungsankündigung

Täglich werden zehntausende von kinderpornographischen Seiten im Internet aufgerufen. Die Opfer werden immer jünger, die sadistischen Quälereien immer brutaler. Kinder, die im organisierten pädokriminellen Kontext misshandelt, missbraucht und ausgebeutet werden, überleben, indem sie sich innerlich aufspalten, die Last der Qual auf mehrere innere Schultern verteilen. Sie werden Viele, werden multipel, entwickeln eine dissoziative Identitätsstörung. Dadurch funktionieren sie im Alltag scheinbar normal. Das Abrichten der Opfer erfolgt zumeist in ritualisierter Form unter Ausnutzung aller Methoden, die wir als „weiße Folter“ kennen. Manche der Opfer werden später selbst zu Tätern. Opfer und Täter brauchen therapeutische Unterstützung, um den Teufelskreis von Misshandlung und Gewalt durchbrechen zu können.

Psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten für Opfer extremer Gewalt im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen und der Psychotherapierichtlinien sind leider nicht ausreichend. Wer so lange und so intensiv misshandelt wurde, braucht längere und intensivere therapeutische Behandlung.

Tätertherapie ist bislang konzeptionell weniger weit entwickelt. Sie ist aber notwendig, um zu verhindern, dass Kinder zu Opfern werden. Tätertherapie bedeutet Opferschutz.

Dieses Fortbildungsangebot richtete sich an alle, die mit Opfern ritualisierter Gewalt und organisierter Pädokriminalität beruflich zu tun haben, insbesondere an Personen, die bei der Polizei, der Justiz oder in erziehenden und sozialen Berufen sowie in der Medizin und Psychotherapie arbeiten. 20 Workshops (jeweils max. 30-35 Personen) und vier Vorträge boten ca. 200 Teilnehmenden die Gelegenheit, sich mit der Problematik vertiefend auseinanderzusetzen. Das Theaterstück Jenseits vom Tag griff das Thema künstlerisch auf.

Tagungsbericht
Der Tagungsbericht fasst den Ablauf und die Inhalte der Tagung kurz für Sie zusammen.

Flyer II. Traumafachtagung

Unterlagen zur Tagung

Wir haben die Referent_Innen angefragt, auf dieser Seite Folien und weiterführende Materialien zur Verfügung zu stellen.

folgende Unterlagen stehen bereit:

Nicki und die Bärenbande

Link zum Film „Ein Körper mit System“ und zu weiteren Filmen.

Link zu einem DIS-Kurs und zu aktuellen Neuigkeiten

Brigitte Hahn

Link zum Film „Im Namen des Teufels: Rituelle Gewalt in satanischen Sekten“ des Bistums Münster

Helga Ströhle

Folien zum Workshop von Helga Ströhle
Die gesellschaftsploitische Dimension von Verleugnung in punkto sexualisierter Gewalt

Michaela Huber

Folien zum Vortrag von Michaela Huber
Viele im Netz der Pädokriminalität

Folien zum Workshop „Extreme Gewalt – Extreme Dissoziation“

Folien zum Workshop „Lösung aus Gewaltverhältnissen – äußerlich und innerlich“

Johanna Sommer – Initiative Phoenix

Folien zum Workshop „Initiative Phoenix – Verbesserung der Therapiebedingungen für Komplextraumatisierte“

Dr. Kristina Scheuffgen

Folien zum Workshop „Therapie von sexuell übergriffigen Kindern und Jugendlichen“

Prof. Dr. Ludwig Salgo

Folien zum Workshop „Kindeswohlgefährdung und das Recht zu schützen“

Claudia Fischer

Folien zum Workshop „Sadistische Gewalt in der Berichterstattung“

Anmerkung: Die Unterlagen und Links wurden von den Referent_Innen bereit gestellt. Das Trauma Institut übernimmt soweit gesetzlich möglich keine Verantwortung für deren Inhalte.

Grußworte

Grußwort von Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

Verehrte Frau Dr. Bosse!

Verehrte Mitwirkende und Teilnehmer an der II. Interdisziplinären Trauma-Fachtagung

am 28./29. März 2014 in Mainz!

Zu den bestürzenden Ereignissen in unserer Gesellschaft gehört die wachsende Flut von kinderpornografischen Seiten im Internet. Man hat wohl zu lange die verheerenden Folgen ignoriert oder zu wenig ernst genommen. In der Zwischenzeit sind die angewendete Gewalt immer raffinierter, die Opfer immer jünger und die Last der sadistischen Gewalt in den Seelen der jungen Menschen schwerer geworden. Es zeigt sich auch, dass internationale Ringe im Hintergrund stehen, die sich gut tarnen können. Die Anwendung subtiler Gewalt und die Verbreitung entsprechender Szenen verbinden sich auch immer mehr mit einem riesigen finanziellen Geschäft, das ziemlich skrupellos ist.

Gegen diese vielfach vernetzten und geschickt getarnten Interessen versagen oft die rechtlichen Mittel des modernen Staates. Die internationalen Verflechtungen machen einen Zugriff schwierig. In den Wissenschaften sind es sehr viele Disziplinen, die auf ihre Weise einen partiellen Zugang haben. Umso notwendiger sind ein Zusammenwirken aller Kompetenzen und ein Austausch der damit gemachten Erfahrungen. Die Verwundungen in den Seelen der Betroffenen sitzen tief und kommen oft erst spät ans Licht. Immer stärker wächst die Einsicht, dass ein interdisziplinärer Austausch bis zu einem gewissen Grad diese überaus negativen Wirkungen erkennen, eindämmen und hoffentlich immer mehr verhindern kann.

Ich möchte Frau Dr. Brigitte Bosse vom Trauma-Institut Mainz herzlich danken für die wiederholte Initiative, die sie nun nach der ersten Trauma-Fachtagung ergriffen hat, um besonders den Opfern ritualisierter Gewalt und organisierter Pädokriminalität nachzugehen. Vielleicht sind unsere großen Einrichtungen vor allem auch in der Wissenschaft manchmal zu schwerfällig und wenig beweglich, um rechtzeitig, das heißt früh genug, diese Untaten aufzuspüren, um den Teufelskreis von Misshandlung und Gewalt durchbrechen zu können. Dies gilt auch für die Regelung kostenintensiver psychotherapeutischer Behandlungsmöglichkeiten von Seiten der gesetzlichen Krankenkassen, besonders in Fällen extremer Gewalt. Dies gilt auch für die Entwicklung einer Opfer- und Tätertherapie.

Wir haben fast alle zu wenig und zu spät die verheerenden Folgen solcher Gewalt im Leben von Menschen, besonders von Kindern und Jugendlichen, erkannt und streckenweise auch ignoriert. Man ist bestürzt, wenn man erkennen muss, wie verheerend diese gewalttätigen Umtriebe die Personalität und Identität der Opfer nachhaltig beeinträchtigen, wenn nicht gar zerstören können. Darum rütteln Sie mit dem Motto Ihrer Tagung viele auf, wenn Sie ausrufen: „Wir sind Viele“. Sie mahnen uns, unsere Gleichgültigkeit aufzugeben.

Darum möchte ich Ihnen allen, Frau Dr. Bosse, den Vortragenden und den interessierten Teilnehmern für diese Initiative sehr herzlich danken. Wir fördern diese Initiative gerne. Ich bin überzeugt, dass wir mit vereinten Kräften ein neues Bewusstsein für diese Aufgaben schaffen können. Dafür wünsche ich Ihnen ein gutes Gelingen und mit Gottes Segen auch die Stärkung heilender Kräfte.

In dankbarer Verbundenheit

Ihr

Karl Kardinal Lehmann

Bischof von Mainz

Rede von Ministerin Irene Alt

Sehr geehrte Frau Dr. Bosse,

sehr geehrte Frau Engelhardt,

sehr geehrter Herr Arldt,

sehr geehrte Damen und Herren Referentinnen und Referenten,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich möchte Sie sehr herzlich zur zweiten Interdisziplinären Trauma-Fachtagung hier im Schloss Waldthausen begrüßen.

Traumata können Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen erleiden. Da sind Kriege zu nennen, Naturkatastrophen oder etwa Autounfälle. Nach wie vor fällt es uns aber schwer zu glauben und zu verstehen, dass es auch viele Erwachsene und Kinder gibt, die bewusst traumatisiert werden.

Die erste Interdisziplinären Fachtagung 2012 unter dem Titel „Gewalt macht sprachlos“ hat untersucht, was Traumatisierung bedeutet und was sie mit den Gehirnen und Körpern der Opfer macht.

Fragen waren dabei etwa:

  • Wie können Opfer in die Lage versetzt werden, sich Hilfe zu holen, trotz großer Abhängigkeiten vom Gewalttäter?
  • Oder welche Hürden sind zu überwinden – auch in den Köpfen von Fachleuten – damit Betroffene sich Unterstützung sichern können?

Diese erste Interdisziplinäre Fachtagung vor zwei Jahren traf auf großes Interesse und Zustimmung. Ich freue mich sehr, dass auch die zweite Trauma-Fachtagung auf solch große Resonanz gestoßen ist.

Die heutige Fachtagung nimmt extreme Formen der Traumatisierung in den Blick, also zum Beispiel Traumatisierungen durch ritualisierte Gewalt und organisierte Pädokriminalität.

Die Täter in diesen Bereichen traumatisieren bewusst Erwachsene und Kinder, um sie sich gefügig zu machen.

Sie traumatisieren die Opfer dabei in ritualisierter Form – etwa in satanistischen Ritualen, die mit sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung verbunden sein können. Dabei haben sich Parallelen gezeigt zu Misshandlungen und sexuellem Missbrauch in geschlossenen Institutionen, wie Heimen. Die große Macht des Gewalttäters erklärt, warum die Opfer erst viele Jahre später den Mut haben, über das erlittene Unrecht zu sprechen oder die Schuldigen anzuzeigen.

Frau Dr. Bosse ist es zu verdanken, dass wir heute über ritualisierte Gewalt besser Bescheid wissen. Mit ihrer Untersuchung aus dem Jahr 2007 hat sie uns die Augen darüber geöffnet, dass es ritualisierte Gewalt auch in Rheinland-Pfalz gibt.

Nur wenige Berufsgruppen, wie psychotherapeutische und medizinische Fachkräfte, hatten damals Kontakt zu Betroffenen und Kenntnis über diese Gewaltform.

Im Zuge ihrer Untersuchung hat Frau Dr. Bosse über 1000 Vertragstherapeutinnen und -therapeuten in Rheinland-Pfalz befragt. In 12 Prozent der Fälle berichteten die Therapeutinnen und Therapeuten von ritualisierter Gewalt – insgesamt handelte es sich um 67 Fälle.

Dabei berichteten die Befragten auch von 16 Tötungsdelikten im Kontext mit ritualisierter Gewalt, die aber weder polizeilich noch staatsanwaltschaftlich bekannt wurden.

Dramatisch war auch das Ergebnis, dass etwa die Hälfte der überwiegend weiblichen 63 Opfer noch immer in Täterkontakt standen.

Es ist für uns sehr schwer zu begreifen, dass es ein solches Ausmaß an Macht und Menschenverachtung bei uns gibt. Eine Parallelwelt zu unserer so scheinbar freundlichen Alltagswelt.

Wir müssen aber hinschauen und unsere Unterstützungsangebote darauf ausrichten, sonst finden Betroffene keine Hilfe und sind dem Terror weiter ausgeliefert.

Auch die von mir geförderten Beratungseinrichtungen gegen Gewalt an Frauen – insbesondere die Frauennotrufe – berichten von traumatisierten Frauen.

Mit diesen Betroffenen haben die Mitarbeiterinnen mittlerweile viel Erfahrung in der Beratung und Behandlung.

Wenn sich die Betroffenen aber in mehrere Persönlichkeiten aufgespaltet haben, um die gewaltvolle Erfahrung zu überleben, sind die Fachfrauen vor sehr große Herausforderungen gestellt.

Auch therapeutische und juristische Fachleute kommen oft an die Grenzen ihrer professionellen Möglichkeiten, wenn es darum geht die Abhängigkeit vom Täter aufzulösen oder die Fälle rechtlich einzuordnen.

Besonders schwierig sind 3 Dinge:

  1. der Ausstieg der Opfer,
  2. eine passende sozialpädagogische oder therapeutische Unterstützung zu finden, und
  3. eine erfolgreiche Strafverfolgung der Täter.

Wir müssen zum Beispiel nur an die Situation vieler Vergewaltigungsopfer in Gerichtsprozessen denken:

Sie treffen oft auf Mythen und Vorurteile, die ihre Position schwächen.

Durch extreme Gewalt entstandene Gedächtnislücken können außerdem häufig von der Verteidigung genutzt werden, um die Glaubwürdigkeit des Täters und seine Darstellung aufzuwerten.

  • Bei unserem Thema verhält es sich ebenso:

Das Glaubwürdigkeitsproblem von Opfern ritualisierter Gewalt oder auch von sexuell missbrauchten Kindern vor Gericht ist ähnlich schwierig.

Um so wichtiger ist es, dass sich

  • Vertreterinnen und Vertreter der Polizei,
  • der Justiz,
  • der erziehenden und sozialen Berufe
  • sowie aus der Medizin und Psychotherapie

zusammensetzen und beraten, welche neuen Wege und vernetzten Angebote sich für Opfer extremster Gewalt eignen.

So geht es auch heute um gesetzliche Leistungen für Opfer extremster Gewalt, um neue Therapieansätze, um Empowerment der Opfer und wie ein Ausstieg und eine Trennung von den Tätern gelingen kann.

Es ist Frau Dr. Bosse zu verdanken, dass sie dieses „heiße Eisen“ nicht losgelassen hat, sondern in einer zweiten Fachtagung mit der interdisziplinären Vernetzung und dem Austausch fortfährt.

Hierbei wird es auch darum gehen professionelle Vorurteile auszuräumen und sich für Sichtweisen und Einstellungsmuster zu öffnen, die dem ein oder anderen von Ihnen bislang vielleicht eher fremd waren.

„Wir sind Viele“ – der Titel der Fachtagung – hat für mich noch eine andere Bedeutung, die Mut macht:

Damit sind möglicherweise nicht nur die multiplen Opfer gemeint, sondern vielleicht auch Sie, die zahlreichen Fachleute.

Sie sind die „Vielen“, die sich mit den anderen „Vielen“ immer weiter vernetzen und neue Wege beschreiten, um besser helfen zu können.

„Wir sind Viele“ heißt also: Für die Opfer stehen viele Helfer bereit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich danke Frau Dr. Bosse ganz herzlich für ihr großes Engagement und dafür, dass sie die Mühe auf sich genommen hat, eine zweite, hoch interessante Fachtagung zu dem Thema zu organisieren.

Ich halte diese Veranstaltung für einen wichtigen Meilenstein zur Bearbeitung der komplexen Fragestellungen zu Traumatisierungen.

Auch deshalb habe ich diese Fachtagung gerne finanziell unterstützt.

Ich wünsche der Veranstaltung viel Aufmerksamkeit und Erfolg.

Vielen Dank.

Berichterstattung – Ärzteblatt Rheinland-Pfalz

Das Ärzteblatt Rheinland-Pfalz hat in seiner Ausgabe vom Mai 2014 einen Tagungsbericht über die Trauma-Fachtagung veröffentlicht. Der Text ist auf der Seite des Ärzteblatts öffentlich zugänglich. Wenn Sie den Bericht lesen möchten, klicken Sie bitte hier.

Tagungsevaluation

Am 28. und 29. März 2014 veranstaltete das Trauma Institut Mainz die II. Interdisziplinäre Traumafachtagung in Mainz. Über 200 Teilnehmende aus den Fachbereichen soziale Arbeit, Pädagogik, Psychotherapie, Medizin, Theologie, Justiz und Polizei kamen, um sich mit dem Thema „Wir sind Viele – Opfer ritualisierter Gewalt und organisierter Pädokriminalität“ auseinander zu setzen. Es ging um Menschen, die in Folge extremer Gewalt in früher Kindheit eine dissoziative Identitätsstörung entwickelt haben. Der Interdisziplinäre Ansatz wurde durch eine Vielfalt an Formen der Auseinandersetzung betont. So gab es neben Schwerpunktvorträgen ein breites Workshopangebot, Filme, Theater und Gespräche mit Betroffenen.

Die Tagung war ein voller Erfolg. Etwas über die Hälfte der Teilnehmenden füllte einen Evaluationsbogen aus. Ein Großteil der Beteiligten gab an, fachlich dazu gelernt zu haben, für über 80% war die Tagung auch beruflich relevant. Die Struktur der Fachtagung, der interdisziplinäre Anteil und die Abwechslung von Fachvorträgen, Filmen und Workshops kam bei den Teilnehmenden sehr gut an (sehr gut und gut: 91% der Teilnehmenden).

Allerdings wurde zu Recht bemängelt, dass der interdisziplinäre Ansatz nicht bei allen Angeboten stringent genug eingehalten wurde, so dass einige Inhalte ohne (psychotherapeutisches) Fachwissen nur schwer verständlich gewesen seien. Sehr gelobt wurde, dass auch Betroffene auf der Tagung zu Wort kamen. Einige betonten in Ihren Rückmeldungen, „der Beitrag von den Nickis war der absolute Höhepunkt“.

Insgesamt wurde die Tagung auf einer Notenskala von 1-6 mit der Note 1,8 bewertet.

Das Trauma Institut Mainz freut sich über diese gute Resonanz.

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